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Canon EOS C300 im Pra­xis­ein­satz: Erfah­rungs­be­richt nach 7 Monaten

Im April 2012 erhiel­ten wir unse­re Canon EOS C300 tau­frisch und gehör­ten damit zu den ers­ten Kun­den in der Schweiz. Seit­her haben wir sie für Kun­den­pro­jek­te prak­tisch im Dau­er­ein­satz gehabt. Rund 7 Mona­te sind eine gute Zeit, um eine fun­dier­te Bilanz zu ziehen.

Breit­band Kame­ra für fast alle Projekte

Wir set­zen die Kame­ra für Doku­men­tar­fil­me, Mar­ke­ting­vi­de­os, «schö­ne» Repor­ta­gen und Musik­clips ein. Also über­all da, wo es auf die Bild­qua­li­tät ankommt, aber das Bud­get nicht unend­lich ist. Im Stu­dio kommt sie bei State­ments und Inter­views zum Ein­satz, am meis­ten Zeit haben wir mit der Kame­ra aber im Feld ver­bracht. Von Mai bis Juli waren wir für Repor­ta­gen in der gan­zen Schweiz auf Tour­nee. Vom Tes­sin bis hin­auf auf den Glet­scher in Zinal.

Das neue Bil­d­er­leb­nis: man sieht etwas!

Wer zum ers­ten Mal Bil­der aus der C300 auf dem Moni­tor hat, kann sich wahr­schein­lich ein glück­li­ches Grin­sen nicht ver­knei­fen. Es sieht ein­fach echt aus. Eini­ge Zeit spä­ter bemerkt man dann, dass die Bil­der noch viel mehr drin haben, als das, was man auf den ers­ten Blick sieht. Sowohl in den hel­len, wie auch in den dunk­len Berei­chen kann die Zau­ber­hand des Colo­ris­ten noch viel raus­kit­zeln. Das ist kein künst­le­ri­sches Gefum­mel, son­dern hat ganz prak­ti­sche Vor­tei­le für die Pro­duk­ti­on. Mehr Hub im Bild bedeu­tet weni­ger Licht am Set, was die Pro­duk­ti­on güns­ti­ger und ein­fa­cher macht. Die bes­se­re Bild­qua­li­tät hat aber auch modi­sche Vor­tei­le. Vor­bei die Zei­ten als wir jeden Inter­view­part­ner in uni­for­mes Uni umklei­den muss­ten, weil sonst die Kame­ra wil­de Mus­ter in den Stoff zau­ber­te. Nun kön­nen auch fein­ge­mus­ter­te Jacken gefilmt und schril­le Kra­wat­ten fest­ge­hal­ten wer­den – nicht dass das jetzt immer so sein müss­te. Mit der C300 ist Moi­rée ein­fach kein The­ma mehr.

Robust und zuver­läs­sig vom Glet­scher bis zum Wasserfall

In den 7 Mona­ten hat­ten wir nicht einen Aus­fall. Die Kame­ra lief ein­fach immer, Punkt. Und dabei sind wir nicht son­der­lich zim­per­lich mit ihr umge­gan­gen. Es war kalt (auf dem Glet­scher in Zinal), es war stau­big, und es war auch mal feucht (am Was­ser­fall an der Lenk). Den Tag durch wur­de die C300 ste­hend auf dem Sta­tiv, hin­ten in den Pro­duk­ti­ons­bus geschnallt. Vibra­tio­nen und eini­ge klei­ne Beschleu­ni­gun­gen blie­ben ihr also nicht erspart. Feuch­tig­keit und Käl­te ver­kraf­te­te sie schad­los. Zum Bei­spiel den Ein­satz an der Lenk bei fros­ti­gen –2°C mor­gens um 7 oder den Tem­pe­ra­tur­wech­sel von minus 5°C draus­sen ins 28°C feucht­war­me Kli­ma im Hal­len­bad in Has­li­berg. Hier gibt es nicht viel mehr zu sagen, die Kame­ra hielt klag­los durch, ohne ein­mal ein Pro­blem zu machen. Das Teil läuft einfach.

Blitz & Donner Werbeagentur Bern – Dreharbeiten am Zusammenfluss von Medelser- und Vorderrhein.
Feuch­te Dreh­ar­bei­ten am Zusam­men­fluss von Medel­ser- und Vorderrhein

Lan­ger, lei­ser Atem

Auch die C300 hat einen akti­ven Lüf­ter ein­ge­baut. Im Gegen­satz zu ande­ren tönt der aber nicht wie ein FA-18 beim Start. Eigent­lich haben wir ihn bis­her nur ein ein­zi­ges Mal gehört – im Ton­stu­dio in der Spre­cher­ka­bi­ne, die gegen aus­sen schall­iso­liert ist. Da war es still genug, dass man ein lei­ses Hau­chen hören konn­te. Im Bezug auf Frisch­luft ist die Kame­ra aber auch gar nicht anspruchs­voll. Um die Feuch­tig­keits­re­sis­tenz nicht über Gebühr zu stra­pa­zie­ren, packen wir sie zum Dre­hen ger­ne mal in einen die­ser halb­durch­sich­ti­gen Gemü­se­sä­cke und kle­ben sie vorn und hin­ten mit Gaf­fa-Tape zu. So ist die Bedie­nung noch ein­wand­frei mög­lich, ohne dass das Gerät Scha­den nimmt. Bei ande­ren Kame­ras kommt es dann ger­ne zur Über­hit­zung. Hier kein Pro­blem, geht auch meh­re­re Stunden.

Tem­po Teu­fel – der Einstellungsfresser

Der gröss­te Vor­teil die­ser Kame­ra ist die Geschwin­dig­keit beim Pro­du­zie­ren. Wir haben Ein­stel­lung um Ein­stel­lung durch­ge­hau­en. Die Licht­stär­ke (wir haben sie auch schon als Nacht­sicht­ge­rät ein­ge­setzt, weil wir im Jura die Pfer­de nicht mehr von den Kühen unter­schei­den konn­ten) und der unglaub­li­che Dyna­mik­um­fang machen Ein­stel­lun­gen mög­lich, die mit all unse­ren bis­he­ri­gen Kame­ras ein­fach nicht film­bar gewe­sen wären (jeden­falls nicht befrie­di­gend) oder min­des­tens eine vier­tel­stün­di­ge Reflek­tor- oder Lichtor­gie bedingt hät­ten. Mit der C300 kann man wirk­lich fast vom Stand­punkt aus­ge­hen, was das Auge sieht, kann die­se Kame­ra auch fil­men. Das spart unglaub­lich viel Zeit und macht mehr Bil­der in der glei­chen Zeit. Unter dem Strich kommt das natür­lich der Pro­duk­ti­on zugute.

Auto­fo­kus ist nicht

Schär­fe­zie­hen ist bei der C300 rei­ne Hand­ar­beit. Der Kon­se­quenz zulie­be – oder viel­leicht um die Pro­gram­mie­rer zu scho­nen – hat Canon hier auf fast alle Hilfs­mit­tel ver­zich­tet. Wäh­rend man bei der 5D Mark II wenigs­tens noch rudi­men­tär den Auto­fo­kus nut­zen konn­te, ist hier hard­core Kame­ra­mann-Action gefor­dert. Das ist locker zu machen, wenn die Licht­be­din­gun­gen gut sind, mit geeich­ten PL-Objek­ti­ven gedreht wer­den, oder eine Bat­te­rie Kon­troll­mo­ni­to­re auf­ge­baut wer­den kann. Wenn der Schweiss in die Augen tropft, die EF-Opti­ken dem Bud­get zulie­be rei­chen müs­sen, die Son­ne auf den Glet­scher brennt und die Augen von einem lan­gen Dreh­tag (oder einer lan­gen Dreh­nacht davor) müde sind, wird es zur Qual.

Auf den Schär­fe­trieb (Zacu­to) ver­zich­te ich meist. Das zusätz­li­che Gewicht durch einen wei­te­ren View­fin­der, den Schär­fe­trieb und das dafür nöti­gen Rig ner­ven näm­lich noch mehr als das Schär­fe­zie­hen. Im Stu­dio ist das okay, aber unter­wegs zie­he ich die Schär­fe lie­ber direkt am Objek­tiv. Mit etwas Übung ist das zu machen und die Kame­ra bleibt schlank. Klei­ne Kame­ra heisst weni­ger schlep­pen, weni­ger Schlep­pe­rei heisst mehr unge­wöhn­li­che Bil­der und inter­es­san­te­re Perspektiven.

Aber wenn ich wäh­len dürf­te, könn­te Canon schon einen klei­nen Knopf ein­bau­en, der bei EF-Opti­ken den Auto­fo­kus akti­viert. Er darf wegen der Puris­ten auch tief im Menü ver­steckt sein. Und ich will kei­nen kon­ti­nu­ier­li­chen Auto­fo­kus, son­dern nur bei schwie­ri­gen Bedin­gun­gen sicher­ge­hen und schnell auto­ma­tisch die Schär­fe zie­hen kön­nen. Das kann ja nicht so schwer sein.

Die Berner Werbeagentur Blitz & Donner dreht auf dem Moiry-Gletscher Reportage mit Canon C300

Selb­stän­di­ger Sucher mit Niffelschraube

Der Sucher ist für mich das schwächs­te Teil an der Kame­ra. Die Auf­lö­sung ist knapp genü­gend, reicht aber unter nor­ma­len Bedin­gun­gen aus, damit die Schär­fe beur­teilt wer­den kann. Was nervt, ist die Ein­stel­lung der Sucher­schär­fe (Diop­trinkor­rek­tur nennt man das wohl rich­tig). Das klei­ne Räd­chen ist fast nicht zu bedie­nen (jeden­falls nicht mit klam­men Fin­gern) und trotz­dem ver­stellt es sich regel­mäs­sig auf fast magi­sche Wei­se von alleine.

Akku­jon­gla­ge ade!

In der Regel set­zen wir nur zwei Akkus pro Tag ein. Ein klei­ner (der mit­ge­lie­fer­te) und ein gros­ser. Das hat für jeden Dreh­tag gereicht – und unse­re Dreh­ta­ge sind nicht zu kurz. Im Ver­gleich zum Dre­hen mit der 5D Mark II sind das Wel­ten. No-more-Bat­te­rie-Jon­glie­ren und ner­vö­ses Aus­spä­hen jeder Steck­do­se, nur um noch ein paar zusätz­li­che Watt in die Akkus Nr. 16 und Nr. 17 zu pres­sen. Selbst bei dau­ern­dem Moni­tor­be­trieb hält die Kame­ra wirk­lich lan­ge durch.

Fazit: run & shoot

Nach mehr als 15 Jah­ren im Pro­duk­ti­ons­busi­ness habe ich die zwei­te Kame­ra, mit der ich wirk­lich voll und ganz zufrie­den bin. Die ers­te war die Sony PD-150, die zu ihrer Zeit unschlag­bar war – aber das ist eine ande­re Geschichte.

Seit die C300 im Stu­dio steht, hat das täg­li­che Schie­len auf die Kame­ra­neu­hei­ten und die ent­spre­chen­den Gerüch­te-Blogs ein Ende gefun­den. Einst­wei­len kein Bedarf nach etwas ande­rem. Die EOS C‑300 ist die Kame­ra, die man ein­fach mit einem 35mm/2.0 Zeiss rum­ste­hen haben soll­te und, wenn irgend was pas­siert: run & shoot.